Interessenkonflikte des Genossenschaftsvorstands bei Fusion

Wenn heute zwei oder mehr Volks- oder Raiffeisenbanken fusionieren, wird meist der Vorstand der übergebenden Genossenschaftsbank in den Vorstand der aufnehmenden Genossenschaftsbank übernommen. Durch die Fusion erhöhen sich die Bilanzsumme, das Geschäftsvolumen und und natürlich auch der jährlich erzielte Gewinn. Diese drei Faktoren haben erheblichen Einfluss auf das künftige Gehalt des Vorstands. Es kann durchaus vorkommen, dass Vorstände ihr Gehalt bei einer ersten Fusion von bisher 15.000 € pro Monat auf 25.000 € pro Monat steigern und einige Jahre später mit der nächsten Großfusion ihr Monatsgehalt mehr und mehr anheben.
Das Zurückhalten von Informationen über finanzielle Vorteile des Vorstands wird bewusst so gehandhabt. Denn es ist den Vorständen und Verbänden bekannt, dass eine Fusion bei Mitgliedern und Vertretern schwer durchzusetzen ist, wenn diese Informationen über die (manchmal erheblichen) finanziellen Vorteile der Vorstandspersonen erfahren.
Zu diesem Thema ist im Mitglieder-Rundschreiben 1/2020 des Berufsverbandes genossenschaftlicher Geschäftsleiter e.V., das igenos e.V. vorliegt, interessantes zu lesen. Dort geht es auf Seite 2 zum Thema „Rechtsthemen“, verfasst von Prof. Dr Lutz Batereau um Vertragsfragen, speziell um Gehalts- und Altersvorsorge. Es wird festgestellt, dass nach der Verschmelzung die Verträge zwar harmonisiert, aber nicht novelliert wurden, weil es keinen Bedarf nach Veränderung bewährter Vertragsstrukturen gab. Vor allem die in einer Verschmelzung aufgehenden Institute haben auf aktualisierten Verträgen bestanden, um sich auf Geschäftsleiterebene (=Vorstand) Vorteile zu verschaffen.
Zitat: „ In diesem Zusammenhang ist es regelmäßig zur Überarbeitung der Verträge auch unabhängig vom Erfolg oder Misserfolg der angestrebten Verschmelzung gekommen. Dabei war die Überlegung maßgeblich, dass Verschmelzungen dann „politisch“ in der General- bzw. Vertreterversammlung schwer umzusetzen sind, wenn verschmelzungsbedingte Vorteile der Akteure aus der Geschäftsführung ausgewiesen werden müssen.“

Wir von igenos e.V. sehen in solchen Gehaltssteigerung die Belohnung für die Übertragung des Vermögens ihrer Genossenschaftsbank ohne jegliche finanzielle Abfindung für die Mitglieder, die schließlich die Eigentümer dieser Genossenschaft sind. Doch weil es die Mitglieder nicht wissen und auch nicht erfahren, wie sie dieses Vermögen für sich selbst erhalten können, geht es ins Vermögen der aufnehmenden Bank über und ist für die Mitglieder der übergebenden Bank unrettbar verloren.

Erwähnenswert dazu ist auch die Rolle des Aufsichtsrates. Dieser wurde von Mitgliedern bzw. Vertretern gewählt um die Geschäftsführung des Vorstands ebenso zu überwachen wie darüber dass der Genossenschaft und den Mitgliedern kein Schaden entsteht.
Jeder Vorstand, dem eine Fusion mit einer anderen Genossenschaftsbank angetragen wird, egal ob auf Wunsch eines Kollegen einer anderen Genossenschaftsbank oder auf Weisung des Genossenschaftsverbandes, steckt in einem Interessenkonflikt. Einerseits verpflichtet ihn die Treuepflicht gegenüber der von ihm geleiteten Genossenschaft zur absoluten Loyalität und zum Hintenanstellen von persönlichen Interessen. Andererseits ist durch die Fusion die Aussicht auf 50% oder 100% Gehaltssteigerung durchaus geeignet, diese Loyalität ins Wanken zu bringen. Vor allem da der Vorstand weiß, dass der für ihn zuständige genossenschaftliche Prüfungsverband ein Verschweigen dieses Vorstandsvorteils ganz sicher nicht in die Welt hinausposaunen wird, da dem Verband selbst daran gelegen ist, möglichst viele Volks- und Raiffeisenbanken zu verschmelzen.
Zu Interessenkonflikten des Vorstands führt allerdings die BAFIN (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) im „Merkblatt zu den Geschäftsleitern gemäß KWG, ZAG und KAGB“ zu Interessenkonflikten des Vorstands folgendes aus:
"
Interessenkonflikte sind dann gegeben, wenn persönliche Umstände oder die eigene wirtschaftliche Tätigkeit geeignet sind, den Geschäftsleiter in der Unabhängigkeit seiner Tätigkeit und seiner Verpflichtung, zum Wohle des Instituts tätig zu sein, beeinträchtigen."
und weiter:
„Ein Geschäftsleiter soll mögliche Interessenkonflikte mindestens dem Vorsitzenden des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans frühzeitig offenlegen. Jedes Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan hat angemessen zu dokumentieren, welche Interessenkonflikte der Geschäftsleiter bestehen und auf welche Art und Weise mit ihnen umgegangen wird.“

Sie sollten als Mitglied darüber nachdenken ob Vorstand und Aufsichtsrat wirklich der Genossenschaft und den Mitgliedern gegenüber loyal handeln, wenn den Mitgliedern solche Interessenkonflikte verschwiegen werden.
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